Donnerstag, 6. Februar 2020

Hinterland Sweater Projektplanung mit handgesponnenen Garnen

Hallo liebe Handspinner,

ich habe eine Ewigkeit lang nicht mehr gebloggt. Das und vieles mehr gehört zu meinen guten Vorsätzen für dieses Jahr. Seit ich nicht mehr auf Märkte gehe, beschränkt sich mein Austausch mit euch fast nur noch auf mein Ravelry Forum und ein wenig Instagram. Dort ist es so nett und heimisch im kleinen Kreis, aber ich möchte gern wieder ein wenig zurück zu meinen Wurzeln finden und nicht mehr einzig und allein im Shop arbeiten und werkeln, sondern auch wieder über meine Projekte sprechen und mein Wissen über Fasern, Färben und Spinnen mit euch teilen, das ich in nun unfassbar langen sieben Jahren mit der Regenbogenwolle erlangt habe. Und gleichzeitig kann ich dadurch natürlich auch mehr von euch und der Welt der Spinnfasern mitbekommen, wo ich teils einfach aus Zeitmangel den Anschluss verloren hatte und nicht mehr auf dem aktuellen Stand war.

Hinterland Sweater - Planung, Faservorbereitung, Garnherstellung und Stricken


Nun habe ich gerade ein echt schönes Projekt begonnen und finde, dass es ein perfekter Anlass für den ersten Blogeintrag ist. Ich habe bereits aufgrund weniger Fotos so viele Fragen bekommen und auch schon früher ähnliche Fragen beantwortet, dass sich vielleicht ein Exkurs zum Thema "von der Faser zum Pulli" lohnt. Ich stricke zwar noch nicht so lange Oberteile, es ist mein siebtes oder so (?), aber ich hab ein bisschen dazu gelernt, was die Verplanung von handgesponnenem Garn in Pullovern und Strickjacken angeht und möchte das gern mit euch teilen.

Meinen gesponnenen Single hatte ich vor ein paar Wochen auf Instagram gezeigt und gemerkt, dass Interesse besteht :-)
Bei dem Pullover handelt es sich um das recht neue Design "Hinterland" von Jennifer Steingass. Ich liebe ihre Fair Isle Pullis und ihre Anleitungen sind sehr gut strukturiert und klar geschrieben und sitzen nicht zu weit und nicht zu eng. Meine Überlegungen dazu kann man aber auch auf andere Fair Isle-Projekte übertragen, auch wenn man den Hinterland oder einen Pullover gar nicht stricken möchte.

Exkurs zum Thema Englisch in Anleitungen :-)


So oft lese oder höre ich, dass erfahrene StrickerInnen super traurig sind, dass es eine wunderschöne Anleitung nicht auf Deutsch gibt. Aber man muss davor gar nicht so riesigen Respekt haben. Wirklich jeder, der ein bisschen Egnlisch kann, sollte mal englische Anleitungen ausprobieren. Das Stricken nach englischen Anleitungen hat rein gar nichts damit zu tun, wie gut oder schlecht man Englisch beherrscht, denn niemand von uns kennt die Vokabeln von Anfang an. Es ist reine Übungssache und nur am Anfang muss man das fachliche Vokabular nachschauen. Man gewöhnt sich so schnell an das neue Strickvokabular und wie es bei vielen englischen Sachtexten so ist, schaffen es die englischsprachigen Designer immer wieder, sich viel klarer auszudrücken als es im Deutschen möglich ist. Es ist oft eindeutiger, ob man insgesamt fünf Wiederholungen strickt oder ab jetzt noch weitere fünf, ob man glatt oder kraus strickt, in welche Richtung die Zunahme kippt, vieles hat klarere Ausdrücke und ist präziser und kürzer formuliert. Und diese Ausdrücke wiederholen sich immer wieder bei neuen Anleitungen. Einmal hinein gefuchst hat man auf ewig was davon und bereichert die Auswahl der Anleitungen um ein Vielfaches. Natürlich sollte man am besten mit einer Anleitung anfangen, die Techniken enthält, die man bereits gestrickt hat, also nicht unbedingt seinen allerersten Pullover mit der ersten englischen Anleitung umsetzen. Immer eine Herausforderung nach der anderen :-).

Farb- und Faserwahl für den Hinterland Pullover

Aktuell bin ich noch ein Stück weiter beim Stricken, kurz bevor die Ärmel still gelegt werden.

Ich hatte das Projekt ursprünglich privat begonnen und mir deshalb die Farben ausgesucht, in die ich mich bei Jennifer verliebt hatte. Nur wollte ich den Pulli rein handgesponnen umsetzen. Da ich ein relativ gleichmäßiges, meliertes Blau erschaffen wollte, entschied ich mich, einen Blend (also ein industriell gefärbter und dann durch Kämmen nach meinen Wünschen kombinierter Kammzug) zu nutzen und ihn mit einem von mir kardierten Batt aus verschiedenen Blautönen, graubraunem Lama, petrolfarbener Maulbeerseide und silberfarbener Blütenstielseide ein wenig aufzupeppen. Das Muster hingegen sollte einen kontrastreichen Verlauf wie im Original wiedergeben, einmal hin und zurück. Dafür hatte ich auch kardiert, weil ich beim Mischen von Fasern stärkere Kontrolle habe und weichere Übergänge als beim Färben.

Aktuell gibt es diese Fasern zu kaufen auf www.regenbogenwolle.de
 
Wichtig bei der Wahl der Farben im Fair Isle-Stricken ist, dass nicht nur die Farbe selbst einen guten Kontrast hat, sondern auch die Helligkeit / Sättigung. Hier zeige ich mal ein Negativbeispiel meines ersten Fair Isle Musters mit sehr ähnlichen Farben, aber einem großen Unterschied in der Wirkung. Die beiden Garne sehen einzeln nebeneinander absolut kontrastreich aus. Jedoch verliert sich dieser Kontrast im Strickstück an den Stellen, wo sich grün und blau treffen oder braun und blau, weil die Tiefe bzw. Sättigung der beiden Farben zu ähnlich ist und gewiss auch weil das Mustergarn in Orange-Grün zu unruhig war.



Zwirnen der Grundfarbe

Ich entschied mich bewusst dazu, den relativ einfarbigen Blend mit dem etwas bunteren Batt zweifach zu verzwirnen. Zum einen, weil das Garn aus dem reinen Batt bunter geworden wäre und der Pullover dadurch leichte Streifen bekommen hätte. Durch das Zwirnen mit dem Blend ist alles etwas melierter und einfarbiger, aber durch die kleinen Spots aus Seide eben auch nicht langweilig.

Zweifache Garne beim Pullover haben außerdem weitere Vorteile:

1. Jedes Strickstück benötigt ja eine gewisse Lauflänge. Der Hinterland Sweater wird original mit einem Garn in Sockenstärke mit 14 WPI gestrickt. Wenn man ungeduldig beim Spinnen so großer Mengen einfarbigen Garns ist, ist zweifach Zwirnen die beste Wahl. Man sollte jedoch etwas Erfahrung mit Fasern und der eigenen Technik haben. Da ich selbst mit recht viel Drall und glatt spinne, traue ich mich an Merino für einen Pulli ran. Spinnt man eher lockere, fluffige Garne, sollten man Merino lieber dreifach zwirnen oder zu Fasern wie Corriedale, Shetland o.Ä. greifen.

2. Zweifach verzwirnte Garne werden flacher als dreifache Garne. Selbst wenn das Garn gleich stark ist, also Sockenstärke hat, 14 WPI und alles gleich zu sein scheint, wird das Strickstück, eben wegen der Eigenschaften aus dem obigen Punkt, mit einem zweifachen Garn optisch und haptisch dünner und mit einem dreifachen Garn dicker. Dass es sich dicker und runder anfühlt, kann woanders gewollt sein, zum Beispiel für eine etwas festere Strickjacke mit einem gewissen Stand. Hier ist es aber von Vorteil, dass im Musterabschnitt das blaue Garn in den Hintergrund tritt und flacher erscheint. Bei einem Pullover kann ein dreifaches Garn manchmal auch ein wenig auftragen, während ein zweifaches Garn "schlank" macht. Das stimmt sicherlich nicht in jedem Fall und hängt auch von der Anleitung und den Fasern ab.

Natürlich hat das zweifache Garn auch den Nachteil, dass es nicht so stabil ist wie ein dreifaches. Ich habe es mit Merino / Seide gewagt, weil ich recht kurz ausziehe und mit viel Drall spinne. Wer eher den längeren oder halblangen Auszug spinnt und fluffige Garne macht, sollte vorher mal eine Probe stricken und schauen, ob sie Reibung und Ähnliches gut verträgt.


Spinnen und Zwirnen des Mustergarns

Wie beim Original von Jennifer wollte ich, dass die Farben beim Mustergarn im Farbverlauf von Orange über Gelb und Kupfer zu Braun nicht nur einmal verlaufen, sondern hin und zurück laufen. Außerdem darf man nicht vergessen, etwas übrig zu lassen für die späteren Muster am Ärmel. So habe ich das 100g Batt aufgeteilt in ca. 1/4 für die Ärmel (danach nochmal halbiert für jeweils einen Ärmel) und daraus kleine Minigarne mit einfachem Verlauf gesponnen und die restlichen 3/4 ebenfalls halbiert und hintereinander zu einem großen Garn gesponnen, das dann einmal von Orange zu Braun und wieder zrück zu Orange verläuft.

Auch hier habe ich mich bewusst zum dreifachen Zwirnen entschieden bzw. Navajozwirnen. Jennifer schreibt in ihrer Anleitung, dass dieses Garn gern etwas dicker sein darf, damit es besser raus kommt. Ich habe möglichst so dünn ich konnte gesponnen und ein Garn von ca. 12 WPI erhalten. Tatsächlich sticht das Garn aber besonders durch die Rundheit im Vergleich zum zweifach gezwirnten blauen Garn hervor. Man erkennt dadurch viel schöner das Muster als hätte man zwei wirklich identische Garne.



Stricken - Tipps und Änderungen


Jennifer gibt einen ganz wunderbaren Tipp, den ich zuvor noch nirgends gelesen und nun ausprobiert habe. Wenn man dafür sorgt, dass der Faden vom Mustergarn auf der Rückseide des Strickstücks unter der Grundfarbe her läuft, kommt die Mustermasche auch nochmal deutlicher raus. Beim handgesponnenen Garn kann man es nicht deutlich sehen, aber ich denke, dass man tatsächlich besser den Faden gleich führt und drüber und drunter nicht im Strickstück wechseln sollte.

Im Vergleich zur Anleitung habe ich außerdem meine Nadelstärke um 0,5 mm größer gewählt während ich im Fair Isle Muster bin, da dieser Abschnitt nicht so dehnbar und meist enger ist als beim einfarbigen Stricken. Die Maschendichte scheint bisher dadurch tatsächlich gleichmäßig geblieben zu sein.

Schlusswort

Nun bin ich ja lange noch nicht fertig mit meinem Pullover. Aber ich werde euch auf dem Laufenden halten und hier den Eintrag aktualisieren wenn es neue Bilder oder Erkenntnisse gibt oder wenn ich durch euch noch Hinweise und Ideen zur Projektplanung bekommen sollte. Ich hoffe, ihr habt ein paar neue Tipps für euch entdeckt und etwas mitnehmen können. Euch allen viel Spaß beim Fair Isle stricken und natürlich Spinnen!