Montag, 15. August 2016

Kleine Seidenkunde - Mugaseide, Eriseide, Ahimsaseide, Friedensseide, Maulbeerseide und Tussahseide

Hallo ihr Lieben!

Wie versprochen möchte ich euch über mein Testspinnen der neuen Seidensorten berichten und in einer kleinen Seidenkunde erzählen, warum Seide nicht gleich Seide ist.

Es gibt viele verschiedene Seidenspinnerarten, die bekanntesten sind der Maulbeerseidenspinner Bomyx mori und der Tussahseidenspinner Artheraea mylitta und weitere der Gattung Artheraea (meistens werden die Seidenprodukte mehrerer Arten der Gattung gemischt). Während Tussahseide eine Wildseide ist, bei der der Falter schlüpfen darf, wird die Raupe bei der Maulbeerseide normalerweise in kochendem Wasser abgetötet und entsorgt. Dadurch lässt sich eine Endlosfaser produzieren, die starke Zugkraft hat.

Greift man etwas tiefer in die Tasche, kann man die im Gegensatz zur Tussahseide feinere und glänzendere Maulbeerseide aber auch bekommen, ohne dass man ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Insekt haben muss. Ahimsa Seide und ihre Herstellung aus Kokons, deren Raupen sich verpuppen durften und schlüpfen, wurden vom Ingenieur Kusuma Rajaiah erdacht und werden in Indien hergestellt. Das Abwickeln des aufgebrochenen Konkons aus dem Freiland bereitet viel Arbeit, daher ist diese Seide teurer.

Der Name "Ahimsa" bedeutet Friedensseide, wörtlich ungefähr "nicht verletzen". Es gibt heute zwei Verfahren, mit denen diese Friedensseide hergestellt wird. Beim ersten, vor allem bei den Hindus und Buddhisten, wird die Haltung des "Ahimsa" gelebt, sodass die verpuppte Raupe schlüpfen darf. Beim zweiten Verfahren im Nordosten Indiens wird die Puppe vor dem Schlüpfen entfernt und dient der ärmeren Bevölkerung als Eisweißquelle, sie wird also gegessen, aber sie stirbt nicht in der Seide, sondern später.

Ahimsa Seide vom Maulbeerseidenspinner habe ich gerade frisch in den Shop aufgenommen. Es gibt momentan nur eine begrenzte Anzahl, aber bei höherer Nachfrage bestelle ich nach.



Es gibt neben der Maulbeerseide weitere Seiden, die friedlich gewonnen werden. Ebenfalls eine Ahimsa ist die Eri Seide, welche vom Seidenspinner Samia Cynthia ricini stammt. Die Seide ähnelt der Maulbeerseide sehr stark, glänzt genauso und ist ebenso weich, aber im Vergleich zur schneeweißen Maulbeerseide eher elfenbeinfarben. Meine Seide soll laut Hersteller von schlüpfenden Faltern stammen.



Es gibt die Seide auch als Rote Eri Seide. Diese wurde nicht gefärbt, sondern mittels eines aufwändigen Verfahrens schonener degummiert, sodass das farbgebende Protein Sericin in den Seidenfasern vorhanden bleibt, welches bei der normalen Degummierung verloren geht. Wichtig ist, dass man die Seide nur mit milder Seife badet und nicht mit gebleichter Tussahseide oder Ähnlichem zusammen wäscht, sonst kann die Farbe durch die restliche Bleiche verloren gehen.



Neu im Shop habe ich unter anderem goldene Mugaseide. Sie gehört zu den teuersten Seidenarten der Welt und stammt vom Seidespinner Antheraea assama. Sie ist eine Freiland-Wildseide, bei der der Seidenspinner schlüpfen darf.



Die Seide besitzt eine natürliche, gold schimmernde Farbe, welche nach dem ersten Baden des Garns noch mehr zur Geltung kommt. Vom Gefühl her fasst sich die Mugaseide etwas stumpf an, ähnlich wie Tussahseide, ist jedoch sehr fein. Sie spinnt sich sehr leicht und hauchdünn, wenn man im Handspinnen forgeschritten ist. Das Spinnen aus der Falte ist angenehm, aber nicht notwendig. Man kann auch einfach direkt aus dem Kammzug spinnen, klappt problemlos.


Versponnen habe ich zum Testen 33g und bekam eine Lauflänge von 425m/100g. Dreifach gezwirnt ist das schon ziemlich dünn für eine Faser mit so wenig Volumen.

Vor dem Baden.



Nach dem Baden dunkelt die Seide noch etwas nach und gewinnt ein wenig Glanz. Bitte vorsichtshalber nicht heißer als 30°C baden. Theoretisch sollte sie sich auch nach eventuellem Einlaufen wieder dehnen. Ein Gewicht ins nasse Garn hängen könnte bei Seide helfen (Tipp einer lieben Kundin), da sie sich nicht wie Wolle wieder zusammen zieht.

Übrigens sollte man natürlich nicht nur auf das Tier achten, sondern genauso auf den Menschen. Deshalb habe ich lange gesucht, um den richtigen Händler für diese Seidearten zu finden, da mir fairer Handel, also faire Behandlung und Bezahlung der ArbeiterInnen, ebenso wichtig ist wie die gewaltlose Nutzung der Seidenkokons. Mein Lieferant beschreibt sich sehr authentisch als fairer Produzent. Ich hoffe daher, dass der Kauf dieser Seiden nicht nur das Tier schützt, sondern auch das Geld dem richtigen Menschen zugute kommt.

Auf meine erste Version dieses Textes hin hatte ich tolles Feedback von einem netten, erfahrenen Händler mit Seidenprodukten, der ein paar Korrekturen anmerkte, die ich oben umgesetzt habe. Wer nicht selbst Seide per Hand spinnt, sondern sich für Produkte aus fair gehandelter, ökologisch nachhaltiger und "friedlicher" Seide von verlässlichen Quellen mit langjähriger Erfahrung interessiert, wird gewiss beim Seidentraum fündig. Dort gibt es nicht nur Garne und Stoffe mit diesen Qualitäten, sondern auch fertige Kleidung, Bettwäsche, Accesoires, sowie Kosmetika mit Seide. 


So, ich hoffe, meine kleine Seidenkunde hat euch bereichert. Wenn ihr noch andere Seidenarten kennt oder schon gesponnen habt, würde ich mich freuen, wenn ihr mich anschreibt und mir davon berichtet.

Ganz liebe Grüße und viel Spaß beim Seidenspinnen!
Eure Charlene von der Regenbogenwolle