Freitag, 3. September 2021

Handspindeln oder kleine Kunstwerke von der Regenbogenwolle

Ich freue mich, endlich Zeit für meinen Blog zu finden und über meinen größten, neuen Erfolg im Bereich der Handspinnerei zu schreiben: Meine ersten eigenen Regenbogenwolle-Spindeln. Seit Winter 2020 arbeite ich mit einem wundervollen kleinen Familienbetrieb in der Nähe zusammen und habe meinen Shop voller handgefärbter und handkardierter Spinnfasern um liebevoll handgestaltete Spindeln ergänzt.


 

Deutsche Handarbeit, gemeinsam mit einem Familienbetrieb mit ganz viel Herz

Meine Drechslerin zu finden war mit das beste, was mir je passiert ist. Sie macht unglaublich gute Arbeit. Ihre Spindeln können in ihrer Perfektion mittlerweile kaum noch schöner werden. Sie arbeitet unglaublich genau und ist so ideen- und erfindungsreich. Für die Spitzen und Enden der Spindeln hat sie etliche Techniken und Konstruktionen erfunden und auch wenn die programmierte Drechselbank im Rahmen der Natur des Holzes die Formen und Gewichte jeder Spindelform wiederholen kann, so ist das meiste an jeder einzelnen Spindel immer noch reine Handarbeit. Deutsche Handarbeit!

Wenn ich von ihr spreche, müsste ich eigentlich die Familie sagen, denn alle im Betrieb helfen mit und gestalten liebevoll diese Spindeln und erfreuen sich daran, die Vielfalt der Hölzer zu genießen und diese wirklich besondere Arbeit zu machen. Seit ein paar Wochen hilft daran sogar der erste neue Mitarbeiter mit, der nicht zur Familie gehört. Er ist gehörlos und spricht Gebärdensprache, eine besondere Herausforderung auf beiden Seiten. Und er hat ein unglaubliches Talent für die Holzbearbeitung und macht nun auch meine Spindeln. Es ist eine große Freude, dass sich alle darum kümmern. Mit ihm zusammen lernt der ganze Betrieb nun sogar die Gebärdensprache, eine Zusammenarbeit für die Zukunft. Ich finde das super schön und beeindruckend! 

Beim Drechseln gibt es viel Ausschuss, so um die 10%. Holz als Naturprodukt ist nicht berechenbar und so zerspringt auch mal eine Spindel und wird nicht selten für ein Kinderspielzeug verwendet, über das sich die beiden 5-jährigen Zwillinge meiner Drechslerin freuen. Ich bin so dankbar, dass ich dieses wundervolle kleine Unternehmen entdeckt habe und wir so perfekt zusammen arbeiten und uns auch so gut verstehen, auch auf jeder persönlichen Ebene. Und das beste sind natürlich die perfekt laufenden Spindeln, in denen bereits etliche eurer Wünsche und Vorlieben eingeflossen sind, sodass die Qualität vollendet ist.

Künstlerische Gestaltung

Mir war es wichtig, dass die Spindeln nicht zum reinen Wiederverkauf dienen, sondern ich meinen Teil leiste und mich damit von den Handdrechslern ein bisschen abhebe, auch kleine Konkurrenz für die talentierten deutschen Spindelmacher werde. Ich gehe zwar in der Färberei seit vielen Jahren auf, aber mir fehlte es sehr, mein künstlerisches Talent mehr ausleben zu können und in meinen Job einfließen zu lassen. Die Brandmalerei übe ich schon relativ lang, zwei oder drei Jahre mache ich das schon zwischendurch. Seit ich aber nun regelmäßig die Spindeln gestalte, hat sich einiges getan. Nicht nur die Übung und Erfahrung nimmt zu, ich habe natürlich auch verschiedene Brandmalstationen ausprobiert und besitze jetzt schon zwei High End Geräte, die mich in ihrer Zuverlässigkeit super glücklich machen. Jedes neue Holz ist eine Herausforderung, die Rundung jeder Spindel ebenso. Aber was gibt es schöneres als Kunst auf einem praktischen und nützlichen Gegenstand zu verewigen? Spindeln sind eben nicht nur Dekoration und Sammelobjekte, sondern sie bedeuten ein Hobby, eine Freizeitgestaltung, mentale und körperliche Entspannung beim Spinnen, Ausgleich zur alltäglichen Arbeit, die Entstehung eines selbst gesponnenen Garns und eines daraus gestrickten Kleidungsstücks beispielsweise. Für mich ist die Herstellung aller Produkte meines Shops eine Lebensaufgabe, die unglaublich viel Sinn macht. Das Spinnen bedeutet so viel mehr als nur ein Hobby, es entspannt, es hält gesund, es fordert die Kreativität und die Motorik und bedeutet für meine Kunden eine Auszeit vom immer stressiger werdenden Alltag, eine Freude in dunklen Zeiten, eine Ablenkung von schwierigen Situationen. Ich bin immer wieder dankbar, dass meine Pakete so viel Glück bereiten. Und Spindeln runden natürlich mein Geschäft, das fast nur HandspinnerInnen bedient, ganz wunderbar ab.


Supported lernen

Ich selbst war vor diesem Zweig in meinem Shop reine Spinnradspinnerin. Gelernt hatte ich das Spinnen zwar auch vor vielen Jahren an der Fallspindel, war aber kein Fan davon, da ich schon bei der Arbeit tagsüber so viel stehe und die Schultern belaste. Ich wollte also nun ruckzuck das unterstützte Spinnen lernen. Meine Freundin, die ich vor ein paar Jahren über dieses Hobby gewann, lieh mir letzten Herbst spontan ihre wertvollsten Spindeln zum Üben, als ich noch keine eigene besaß. Das Lernen des Supported Spinning machte mir auch gleich irre viel Spaß. Mein Faden ist aber mangels Übung noch relativ dick und besitzt nicht so viel Drall im Vergleich zu meinem Faden am Spinnrad oder den Fäden bei geübten unterstützt spinnenden Leuten. Es gefällt mir aber ziemlich gut so, weil ich damit meine ersten guten Singlegarne produziert habe, die am Spinnrad schnell zu viel Drall bekommen. Am meisten genieße ich tatsächlich die Gemütlichkeit dieser Spinntechnik. Ich liebe den Schneidersitz und unter meine Spinnschale passt auch noch meine Schmusekatze Minou und man kann es sich warm und gemütlich machen, das hat echt Vorteile zum Spinnrad. Und die Technik ist schnell gelernt, es hat echt nicht lang gedauert. Auch wenn der Weg etwas weiter ist bis man es blind beherrscht, so ist es ja dann oft. Mein Tipp für Anfänger (auch wenn es sich individuell natürlich unterscheiden kann): Schwerere Supported hüpfen einem ganz am Anfang nicht so schnell aus der Schale wie leichte, sehr filigrane. Also besser keine Spindel unter 20g als erstes Modell wählen. Ich hab im Shop für solche Wünsche Filter eingebaut, dann kann man sich anzeigen lassen, was einem wichtig ist.

 


Das Holz und das dabei wichtige Thema Nachhaltigkeit

Meine Drechslerin und ich sind einer Meinung: Wir wollen unsere Umwelt schützen und niemals Hölzer verwenden, die unklaren Ursprungs sind oder nicht nachhaltig sind. Raubbau und Brandrodung der Urwälder dürfen auf keinen Fall unterstützt werden. Viele Handdrechsler haben den Vorteil, dass sie durch Beziehungen auch mal kleine Mengen exotischer Hölzer bekommen, die als Verschnitt sonst eh entsorgt worden wären oder die sie recyclen können. Das wäre eine ganz andere Geschichte. Aber wer auf normalem Weg im Holzhandel einkauft, muss sich darüber klar werden, woher das Holz stammt und wie es gewonnen wurde. Wir wählen hauptsächlich einheimische Hölzer, die aus nachhaltiger Forstwirtschaft stammen oder aus der Lebensmittelgewinnung, wo zum Beispiel Bäume ihren Ertrag verloren haben und gefällt werden um neue anzupflanzen. So findest du in meinem Shop vor allem einheimische Hölzer wie Ahorn, Esche, Eiche, Erle Birke, Nussbaum und etwas speziellere wie Eibe, Rüster und Platane. Meine liebsten Hölzer sind die der Obstbäume der Familie der Rosaceae, weil sie wunderschön gemasert sind, sehr gleichmäßig und porenarm sind und sich damit wundervoll brennen lassen und die Oberfläche schön glatt schleifbar ist. Dazu gehören zum Beispiel Birne, Kirsche, Black Cherry, Pflaume und Apfel. Ein paar exotische Hölzer habe ich auch. Ein Brett Zebrano und etwas schwer zu verarbeitendes, aber wundervoll hartes Bubinga hat meine Drechslerin aus verantwortungsvoller Quelle bekommen. Mahagoni hat eine ganz eigene Stellung und muss mit Blick auf die Geschichte betrachtet werden. Mahagoni war lange Zeit sehr begehrt. Bis in die 80er Jahre wurde für Mahagoni der Urwald gerodet um dieses wertvolle Holz zu erhalten. Seit sich die Sensibilität und der Geschmack der Menschen verändert hat und Mahagoni nicht mehr begehrt wird, hat sich die Problematik leider nur verschoben. Heutzutage sind Hölzer wie Palisander immer noch unglaublich wertvoll und nun werden die Mahagoni-Wälder brandgerodet um an das kostbare Palisanderholz zu gelangen. Daher steht Mahagoni nicht mehr im Fokus, es ist also eher besser, ihn (in Maßen) zu verwenden als ihn einfach aus dem Weg zu brennen. Hölzer wie Palisander sind wundervoll, sehr hart, sehr glatt, haben traumhaft exotische Farben und Maserungen. Aber du wirst sie bei mir niemals finden. Ihr Ursprung ist immer mit Vorsicht zu genießen und steht oft in Verbindung mit weitflächigen Brandrodungen oder Raubbau. Man muss wirklich Reststücke oder alte Möbel entdecken, die sonst entsorgt worden wären damit man Palisander reinen Gewissens verwenden kann. Ich habe in dem Zuge viel gelernt über dieses exotische Holz. Was ich früher auch nicht wusste, zu den Palisandersorten gehören auch das irreführend bezeichnete Rosenholz, Cocobolo oder Salamanderholz, Grenadill, Kayenne, Violetta oder Violettholz oder Königsholz / King Wood, Bogote und einige mehr. Wir werden diese Hölzer niemals einkaufen, so schön sie auch sind.

Einheimische Hölzer sind wirklich genauso schön. Und meine Tischlerin bzw. das Unternehmen hat gute Beziehungen zu sorgsamen und verlässlichen Holzlieferanten. Manche davon sind kleinere Händler, die wirklich auf die Suche gehen nach dem perfekten Stamm. Es ist beispielsweise gar nicht so einfach, einen guten Apfelbaum zu finden. Die Trocknung ist sehr schwierig, oft fault ein Stamm dann leider doch von innen und ist nicht mehr verwendbar. Meine Herzensdrechslerin hat mir aber den ersehnten Wunsch erfüllen können und einen perfekten, kleinen Apfelbaum aus Italien organisiert. Er trocknet aktuell noch bis November und wird dann in Brettern her transportiert. Ebenso hat sie sich stark gemacht für einen definitiv nachhaltig gewonnen Olivenbaumstamm. Olive ist ebenfalls ein Holz, bei dem man sehr gut seine Quelle kennen muss. Olivenbäume können tausend Jahre alt werden und es wäre ein Frevel, diesen in der Natur zu fällen. Auch kommt Diebstahl an Olivenbauern häufiger vor. Es ist unglaublich beruhigend für mich, dass ich meine Spindeln mit gutem Gewissen auch in so wundervollen Hölzern anbieten kann und ich dennoch so viel Vielfalt genießen darf.

Mein persönlich größter Gewinn

Letztes Jahr wurde mir immer weiter klar, dass ich meine körperliche Grenze erreicht hatte. Die Färberei und alles drumherum hauptberuflich zu machen zeichnete sich immer stärker in meiner Gesundheit ab. Beim Färben von Spinnfasern kann man einzelne Kammzüge nicht im nassen Zustand aus dem Färbewasser heben, wie es bei Garnen möglich ist. Man muss die gesamte gefärbte Menge aus dem Färbetopf ins Waschbecken, in die Schleuder und dann auf die Wäscheständer heben. Wenn sie trocken sind, passen sie auf keinen Tisch und so sitze ich stundenlang auf dem Boden und flechte. Mein Ischiasnerv fand das irgendwann gar nicht mehr lustig und war dauerhaft entzündet. Seit ich aber an den Spindeln arbeite und Abwechslung habe und tageweise am Schreibtisch malen kann, bin ich endlich wieder körperlich gesundet und leide nicht mehr unter täglichen Rückenschmerzen. Die Spindeln haben mich auf vielen Ebenen befreit, ich bin so dankbar dafür. Natürlich waren sie auch ein großes Risiko, eine riesige Investition. Aber ich habe ein gutes Gefühl dabei, dass es sich mit den Jahren lohnen wird und ich damit noch ganz lange gesund bleibe und für euch weiter färben und malen kann.

Kurz zu den Spindelformen

Aktuell habe ich bereits etliche Formen an unterstützten Spindeln im Shop und es werden gewiss noch weitere hinzu kommen. Drei Kopf- bzw. Tiefenwirtelspindeln sind ebenfalls bereits verfügbar (die dritte ab dem kommenden Update). Hier abreiten wir noch an vielen weiteren, die in den kommenden Monaten und Jahren hinzu kommen werden. Ich hatte von ein paar befreundeten Spindelsammlerinnen sehr viel Beratung dazu, was beliebt ist, welche Formen, Größen und Gewichte sinnvoll sind und was es zu beachten gibt. Manche Formen sind wie das Rad, das man nicht neu erfinden kann. Seien es taillierte Phangspindeln, wo die Taille einfach sinnvoll ist oder Kugeln auf einem Stab wie bei meiner Torin oder rein traditionelle Formen. Trotzdem versuche ich niemals die typischen Formen der deutschen Drechsler nachzuahmen und orientiere mich hauptsächlich an beliebten Spindeln aus Übersee, für deren Erfinder ich keine Konkurrenz darstelle. Ich bin nunmal neu auf diesem Gebiet und möchte keinesfalls jemanden verärgern, der schon lange für euch drechselt.

Zu meinen Formen möchte ich bald einen neuen Post machen und sie alle einmal vorstellen. Ich freue mich sehr darauf!